Richard, wo kommst Du her?
Ich wurde 1956 in Cieszyn in Polen geboren.
Was hast Du gelernt?
Malerei und Fotografie an der Schlesischen Universität und danach Operngesang an der Musik Akademie. Beides in Kattowitz.
Deine erste Begegnung mit der Fotografie?
Ein Fiasko!
Während des Studiums war Malerei mein Hauptfach. Die Fotografie hatte für mich eine zweitrangige Bedeutung. Das waren noch analoge Zeiten, verbunden mit stundenlangem Sitzen in der Dunkelkammer. Entwickler und Fixierer dosieren, vermischen, erwärmen. Ich kam mir vor wie ein Apothekerlehrling.
Es dauerte für mein Empfinden viel zu lange, bis das Ergebnis sichtbar wurde. Es hat mir überhaupt keinen Spaß gemacht.
Wann wurde es anders?
2001 hat mir ein guter Freund eine digitale PowerShot Kamera von Canon in die Hand gedrückt. Ich sollte damit ein wenig experimentieren. Sofort ein Ergebnis sehen zu dürfen, hat mich auf Anhieb begeistert. Daraus ist für mich ein Werkzeug entstanden, das mir erlaubt, Bilder zu erfassen und mich sofort am Ergebnis zu erfreuen.
Meine damalige Einstellung gegenüber der analogen Fotografie hat sich nach so vielen Jahren verändert: Ich habe ihren Charakter liebgewonnen.
Wie ging es weiter?
Ich habe weiter gelernt und praktiziert. Seitdem lebe ich mit Fotografie.
Und wie arbeitest Du? Was treibt Dich an? Was ist es wert zu fotografieren?
Persönlich Sehen. Geduldig Warten. Das Ganze Fühlen. Eigenes Konzipieren. Arrangieren. Zulassen. Auslösen. Intuition treibt Entscheidungen voran, Zufall nimmt oder gibt, Erfahrung beruhigt und bereichert. Fotografieren ist für mich, das Augenblickliche festzuhalten – mit Freude auf ein Wiedersehen mit dem, was geschah.
Ich brauche kein Ziel oder keine bestimmte Vorstellung, ich habe einfach das Bedürfnis zu fotografieren.
Intuition, ästhetische Prägung und permanente visuelle Penetranz filtern für mich die Realitätsausschnitte. Selektives Denken wählt den Zeitpunkt des Auslösens.
Da nicht jeder Impuls zum besten Foto führt, werden aus mehreren visuellen Aufnahmen die wertvollsten Versionen ausgewählt und „unter die Lupe genommen“ …das beste Bild bleibt. Diese Vorgehensweise funktioniert bei jeder fotografischen Aufgabe (und, wie ich behaupte, bei jedem Fotografen fast ähnlich). Nur Zeitabläufe zwischen Spontanem oder Durchdachtem ändern sich bei jeder Fotosession.
Wann weißt Du, ob ein Foto gut ist?
Es ist gut, wenn es sich von einem Foto zu einem Bild entwickelt und mich geistig anregt.
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Warum malst Du?
Ich male Warum.
Ich male Fragen – nie Antworten.
Das Warum ist Visionsarbeit.
Die Vision ist als ein desorganisierter Verhaltensprozess zwischen Gedankenfülle und Kopfleeresnichts zu verstehen. Die Arbeit ist hart. Das Endergebnis ist das Nochnichtgesehene Erstaunen. Darum male ich.
Was für eine interessante Beschreibung von Vision. Eine Vision ist nach meinem Verständnis ein subjektives, bildhaftes Erleben von etwas sinnlich nicht Wahrnehmbarem. Deine Vision scheint mir kraftvoll chaotisch und nichts Konkretes zu sein, dem nachzugehen Du Dich aber auf eine Art verpflichtet fühlst!
Ist das so?
Die von Dir präsentierte Visions-Definition ist mir bekannt: Ich selbst habe sie jahrelang visionierend vor mich hingelebt. Erst die Visionsarbeit als Begriff und das Begriffene hat mich auf diesem Weg in Richtung Kunst tiefer in eine Leidenschaft geführt. Kurz: Vision ohne Arbeit ist Träumerei. Die von Dir suggerierte „Verpflichtung“ ersetze ich mit Verantwortung. Und ich würde mich in meiner Visionsarbeitsphase eher desorganisiert als chaotisch bezeichnen.
So ist es.
Was an Deiner Arbeit ist desorganisiert, und inwieweit ist gerade das Kunst förderlich?
Meine Desorganisation besteht aus disziplinlosem Arrangieren von vielen konkreten, aber unpräzisen Handlungsepisoden. Diese Vorgehensweise beim Malen ist meine Bildaufbaumethode. Ich bin der Meinung, dass Nochnichtgesehenesstaunen nicht aus Geplantem resultieren kann. Desorganisiertes ist in mir: es zerstört mich nicht…also fordert und fördert es mich auf meinem Weg in Richtung Kunst.
Wann weißt Du, dass ein Bild fertig ist?
Das Ende des Malens überrascht mich jedes Mal. Es ist ein Moment, in dem ich staune und das Gemalte erstarrt. Stillstand. Das Bild steht, ich sitze davor, und wir sind zweifellos.
Interview: Susanne Petridis